Mit Leib & Seele3. Ausgabe Seite 5 Endlich schmerzfrei Gewünschter Umweg Geriatrie Erst akut, dann geriatrisch – im Evangelischen Krankenhaus Ludwigsfelde bekommen ältere Patienten die optimale Versorgung. Wat is’n mit Papa los? Wie der mich ankiekt. Der ist ja fix und fertig. »Ein typischer Fall von Verwirrungszu- stand«, erklärt Dr. Marion Hanke, Chefärztin für Ger- iatrie im Evangelischen Krankenhaus Ludwigsfelde. Ein älterer Patient wird in die Rettungsstelle einge- liefert, muss dort drei Stunden warten. Er isst nichts, trinkt nichts, bekommt nicht sofort gesagt, was mit seinem schmerzenden Ellenbogen sei. All das verwirrt ihn. Und nach der OP kommt der Sohn und sieht seinen Vater, der die Nachwirkungen der Narkose verarbei- ten muss und auch noch zusätzliche Medikamente be- kommen hat. Der Sohn leidet mit seinem Vater, den er nicht wiedererkennt. Hoher Bedarf »Ich habe das so oft erleben müssen, dass die Angehö- rigen überhaupt nicht wissen, warum sich der Vater oder die Mutter plötzlich komplett anders verhalten.« Genau jetzt muss sich der verantwortliche Medizi- ner die Zeit nehmen und diesen Zustand ausführlich erklären. »Die Angehörigen begreifen so die Situation und sind nicht mehr schockiert.« »Verwirrungszu- stände klären« nennt die Geriaterin dieses Betreuungs- angebot für die ganze Familie, das ihr so wichtig ist und das zur besonderen Normalität im Ludwigsfelder Krankenhaus geworden ist. Seit Januar 2014 bietet die Einrichtung geriatrische Gesundheitsversorgung mit integrierter Frührehabilitation an, drei Monate später übernahm Marion Hanke die Leitung der Fachabtei- lung mit den 28 Bettenplätzen. Ludwigsfelde ist eine junge Stadt – in doppelter Hin- sicht: Stadtrecht erst vor fünfzig Jahren erhalten, Durchschnittsalter der Einwohner knapp vierzig. Trotz- dem wächst auch in Teltow-Fläming die Gruppe der Alten und Noch-Älteren; jeder der 28 Plätze im Haus D ist vergeben, es gibt sogar Wartezeiten. »Wir planen ganz genau und sprechen uns mit den einweisenden Hausärzten ab.« Muss der Patient hingegen akut ver- sorgt werden, verbringt er die Wartezeit auf der Akut- station. Das ist übrigens einer der Gründe, warum die Geriatrie an das Akutkrankenhaus angebunden ist: »Kurze Wege« sind so wichtig für die Betreuung älterer Patienten. Komplikationen vermeiden »Alt werden ist nicht schön« bekommt Marion Hanke immer wieder zu hören. Dreizehn Diagnosen – bei jedem Patienten. Das ist das durchschnittliche Ergebnis der Erstuntersuchungen. Ja, alt werden ist nicht schön. Wer in die Geriatrie eingeliefert wird, ist oft chronisch krank. Oder er ist gestürzt – weil sich mit dem Alter der Sinn für das Gleichgewicht ändert, und auch das ist Kopfsache – eine Veränderung des Gehirns. Die gebrochenen Knochen – oft Schenkelhals und Oberarm – wachsen langsamer zusammen als bei jungen Pati- enten. Wer schon vor der Operation wenig geschmeidig war, hat nun noch größere Schwierigkeiten, sich gut zu bewegen. Oder das Herz schlägt nun im falschen Takt, der Blutdruck steigt und steigt, die Nieren begin- nen, ihre Arbeit einzustellen: Das alles sind mögliche Komplikationen nach einer akuten Behandlung. »Und aus diesem Grund gibt es geriatrische Einheiten wie unsere«: Nicht den Patienten nach der Operation nach Hause schicken, sondern ihn wieder alltagstauglich machen – auch durch früh einsetzende Rehabilitation. Viele Tests helfen, sich auf das zu konzentrieren, was wirklich gebraucht wird. Dann wird therapiert, zwei bis drei Wochen lang: »für unser großes Ziel, dass der Patient wieder nach Hause gehen kann.« Von Syrien in die Niederlausitz Das Evangelische Krankenhaus Luckau und die Stadtverwaltung gehen neue Wege gegen den Ärztemangel Ute Gebauer wird demnächst einundsiebzig Jahre alt. Jetzt ist der Zeitpunkt für einen neuen Lebensabschnitt gekommen, für ihren Ruhestand: Die »Augenarztpraxis Dr. Ute Gebauer« in Luckau darf nicht schließen. Ein Nachfolger, ein neuer Au- genarzt, scheint gefunden. Bürgermeister Gerald Lehmann hat eine Vision. Und die beginnt er umzusetzen. In Waßmannsdorf, gut eine Autobahnstunde von Luckau entfernt, entdeckte er vielleicht den Nachfolger von Frau Dr. Gebauer: Fahdi, 34 Jahre alt, studierter Augen- arzt, Syrer – Kriegsflüchtling. Seine Frau, Sherin, ist Hautärztin und auch diese Facharztstelle ist in Luckau unbesetzt. Bürgermeister Lehmann fährt nach Waß- mannsdorf, holt das syrische Ehepaar ab und führt durch die Kleinstadt in der Niederlausitz. Er will die Bei- den begeistern, ihnen zeigen: Luckau kann zu Eurem neuen Lebensmittelpunkt werden. Zuhause für 37 Nationen Mittlerweile wohnen Sherin und Fahdi in der Stadt. Nun beginnt der lange Weg durch Deutschlands Bürokratie. »Wenn wir schnell sind, dann brauchen wir mindestens anderthalb Jahre.« Der Bürgermeister hat ein Netzwerk gegründet und ehemalige Lehrer aktiviert. Sie sollen den Syrern die komplizierte deutsche Sprache beibrin- gen. Dann kommen Gespräche mit Behörden und der Ärztekammer in Cottbus, auch da unterstützt sie Gerald Lehmann. Helfen möchten auch die Verantwortlichen vom Evangelischen Krankenhaus Luckau. Wie zum Bei- spiel Harald Wulsche, der Chefarzt für Geriatrie. »Die Flüchtlinge, die zu uns kommen, wollen arbeiten, dürfen es aber nicht.« Das sei schlimm in einer Region, in der Ärzte weniger werden, »das müssen wir ändern«. Das Evangelische Krankenhaus will dem syrischen Ärzte- paar helfen. »Wir wollen ihnen eine neue Bestimmung in ihrer ärztlichen Tätigkeit geben.« Und zugleich neue Wege gegen den Ärztemangel ausprobieren. Im Nach- barort habe das schon funktioniert, berichtet Bürger- meister Lehmann, dort hat sich ein HNO-Arzt nieder- gelassen. Auch er ein Kriegsflüchtling. »Warum sollte das auch nicht hier, bei uns gelingen?« In Luckau, der Stadt, in der schon jetzt Bürger aus 37 Nationen leben »und die auch alle ihr Zuhause nennen«. Willkommen in Luckau »Wir wollen Anpassungslehrgänge mit ihnen absolvie- ren, auch Weiterbildungskurse anbieten.« Der Augen- arzt und die Hautärztin haben sich bei einem Rundgang im Krankenhaus schon umgesehen. Harald Wulsche Das bedeutet für uns: Wir berücksichtigen bei der Zuwen- dung zum Menschen körperliche, psychisch-seelische, spirituelle und soziale Belange. Ärztliches Handeln, Pflege, Seelsorge und die Begleitung durch die Zugehörigen dienen gleichermaßen dem Wohl des Patienten oder der Patientin. Wir betrachten den Menschen als ein Geschöpf mit vielen Seiten. ethische grundpositionen kontakt Evangelisches Krankenhaus Ludwigsfelde-Teltow Albert-Schweitzer-Straße 40-44, 14974 Ludwigsfelde Tel. (03378) 828-0 zentrale.lud@diakonissenhaus.de www.ekh-ludwigsfelde.de kontakt Evangelisches Krankenhaus Luckau Berliner Straße 24, 15926 Luckau Tel. (03544) 58-0 info.luc@diakonissenhaus.dee www.ekh-luckau.de möchte mehr und unbedingt die vielen gut ausgebil- deten Fachkräfte einbinden, die ihre Zeit unbeschäf- tigt in einem Übergangsheim verbringen müssen. Als wichtiges Integrationsprojekt im Kampf gegen den Ärztemangel bezeichnet er diesen erfüllbaren Wunsch. Natürlich, da gebe es Besonderheiten, die man berück- sichtigen und akzeptieren müsse – das gelte für beide Seiten. »Da muss so Vieles geklärt und besprochen werden.« Und die Luckauer, würden sie zu einem ara- bischen Arzt gehen, einem persischen, schwarzafrika- nischen? »Aber natürlich, die Luckauer haben damit überhaupt kein Problem.« Weil doch schon viele inter- nationale Mediziner im Luckauer Krankenhaus arbei- ten würden, meint Gerald Lehmann. »Und die Patienten gehen gern zu diesen Ärzten.« Der Bürgermeister will eine Willkommenskultur in Luckau aufbauen, »Mensch Luckau« heißt ein vielbeachtetes Projekt, das auf die Aufnahme von knapp zweihundert Flüchtlingen am Ende des Jahres vorbereiten soll. Die Luckauer sind interessiert, beteiligen sich und zeigen Weltoffenheit. Und sie engagieren sich so auch gegen den Ärztemangel in der Region. Für sich und ihre Gesundheit. Wir sehen, dass Menschsein viele Dimensionen hat, dass der Mensch nicht nur von Brot lebt, sondern dass der Mensch von allem lebt, was der Mund des Herrn spricht (Deuteronomium 83). Wir finden biblische Bilder dafür, wie Menschen zueinander gehören: Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit … Ihr aber seid der Leib Christi und jeder Einzelne ist ein Glied an ihm (1.Korinther 12,26f). Qualität Werte durch Gerald Lehmann, Bürgermeister in Luckau Beweglichkeit und Alltagstauglichkeit: die Ziele der Geriatrie. Harald Wulsche Chefarzt Geriatrie im Ev. Krankenhaus Luckau